Macht und Kontrolle 11FREUNDE

Die entscheidenden drei Minuten seiner Karriere erlebte Alex Ferguson an einem spten Abend im Mai in Barcelona, als die unbegreifliche Schlussphase des Champions-League-Finals zwischen Bayern Mnchen und Manchester United nicht nur die Anhnger beider Mannschaften, sondern auch Ferguson selbst beinahe sprachlos machte. Als ein Fernsehreporter ihn im Augenblick des Triumphs zu fassen bekam, sagte der

Die ent­schei­denden drei Minuten seiner Kar­riere erlebte Alex Fer­guson an einem späten Abend im Mai in Bar­ce­lona, als die unbe­greif­liche Schluss­phase des Cham­pions-League-Finals zwi­schen Bayern Mün­chen und Man­chester United nicht nur die Anhänger beider Mann­schaften, son­dern auch Fer­guson selbst bei­nahe sprachlos machte. Als ein Fern­seh­re­porter ihn im Augen­blick des Tri­umphs zu fassen bekam, sagte der Trainer jenen Satz, der zu seinem berühm­testen werden sollte: Foot­ball“, sin­nierte er, bloody hell!“ Fuß­ball, ver­dammte Hölle!

Die Anzei­ge­tagel zeigte: noch drei Minuten

Aus Bayern-Sicht war das noch milde aus­ge­drückt. Der deut­sche Meister war durch ein Frei­stoßtor von Mario Basler früh in Füh­rung gegangen, und bis Mitte der zweiten Halb­zeit sah es nie danach aus, als sollte sich das Blatt noch wenden. Mit dem Schachzug, Mehmet Scholl im Mit­tel­feld neben Stefan Effen­berg auf­zu­bieten, schien Ottmar Hitz­feld seinen eng­li­schen Wider­sa­cher aus­ge­trickst zu haben. Scholl schei­terte einmal am Pfosten, Carsten Jan­cker an der Latte und ihre Kol­legen gleich mehr­fach an Man­ches­ters däni­schem Keeper Peter Schmei­chel, der fast im Allein­gang dafür sorgte, dass seine Mann­schaft nach 90 Minuten mit nur einem Tor zurücklag.

Auf der Anzei­ge­tafel, die der vierte Offi­zi­elle hoch­hielt, leuch­tete eine 3“ auf. In der ersten dieser drei Minuten sprin­tete Schmei­chel bei einer Ecke über das gesamte Feld und sorgte für Ver­wir­rung im geg­ne­ri­schen Straf­raum, was der ein­ge­wech­selte Teddy She­ringham zum Aus­gleich nutzte. Ange­sichts der Reak­tion der 50000 United-Fans hätte man meinen können, Fer­gu­sons Team hätte soeben das Spiel gewonnen. Aber auch die Bayern schienen das Unheil bereits zu ahnen. Kaum hatten sie sich aus ihrer Schock­starre gelöst, zap­pelte der Ball erneut hinter Oliver Kahn im Netz, diesmal hin­ein­ge­sto­chert von Fer­gu­sons zweitem Joker, Ole Gunnar Sol­skjær.

Noch nie hatte ein Finale eine so dra­ma­ti­sche Wen­dung genommen. United-Ver­tei­diger Gary Neville bezeich­nete die Schluss­phase anschlie­ßend als über­na­tür­lich“, und nie­mand mochte ihm wider­spre­chen. Als Fer­guson das Spiel später ana­ly­sierte, hatte er indes eine weitaus nüch­ter­nere Erklä­rung parat: Hitz­feld hätte kei­nes­wegs die bes­sere Taktik gewählt und das Pech gehabt, dass sich Fer­gu­sons pani­sche Aus­wechs­lungen bezahlt machten. Viel­mehr hätten die Bayern nach der Her­aus­nahme von Lothar Mat­thäus buch­stäb­lich ihren Kopf und dadurch Orga­ni­sa­tion und Über­sicht bei der fol­gen­schweren Ecke in der Nach­spiel­zeit ver­loren.

Macht und Kon­trolle“

Genie wird bis­weilen als die unbe­grenzte Bereit­schaft defi­niert, alle Mühen auf sich zu nehmen, und Fer­gu­sons Detail­ver­ses­sen­heit ist wirk­lich legendär. Seit seiner Zeit als Spieler beim schot­ti­schen Klub Dun­ferm­line Ath­letic, der in den Sech­zi­gern beacht­liche Erfolge auf euro­päi­scher Bühne fei­erte, beschäf­tigt Fer­guson sich mit sämt­li­chen Aspekten des Fuß­balls und bedient sich seines außer­or­dent­li­chen, Freunden zufolge foto­gra­fi­schen“ Gedächt­nisses, um Infor­ma­tionen über Spieler, Sys­teme und der­glei­chen zu spei­chern. Doch hinter seinen Erfolgen steckt noch mehr. Seine grim­mige Ent­schlos­sen­heit geht mit einer Per­sön­lich­keit einher, die als die uner­bitt­lichste im bri­ti­schen Fuß­ball gilt – was er selbst kei­nes­wegs leugnet. Im Gegen­teil nennt er Macht und Kon­trolle“ als seine wich­tigsten Werk­zeuge. Und auch mit 70 Jahren macht er kei­nes­wegs den Ein­druck, alters­milde zu werden.

Es sind die immer neuen Her­aus­for­de­rungen seines Jobs, die Fer­guson nach wie vor antreiben. Schon vor der Nie­der­lage im letzt­jäh­rigen Cham­pions-League-Finale gegen den FC Bar­ce­lona – eine Vor­füh­rung, die so man­chen alt­ge­dienten Trainer dazu gebracht hätte, sich zur Ruhe zu setzen – plante er, eine neue, junge Mann­schaft auf­zu­bauen. Ihr Schei­tern in der dies­jäh­rigen Grup­pen­phase wird ihn nur noch mehr moti­vieren. Und auf einmal lohnt es sich sogar, für den Gewinn der Europa League zu kämpfen.

Fer­guson hätte bereits 1999, nach dem bis dahin in Eng­land uner­reichten Triple aus Cham­pions League, Meis­ter­schaft und Pokal, zurück­treten können. Mit dem fünften Pre­mier-League-Titel und nun dem Euro­pa­pokal hatte er es damals einem seiner Vor­gänger im Old Traf­ford, dem legen­dären Matt Busby, gleich­getan und war in die Riege der erfolg­reichsten Trainer auf der Insel auf­ge­stiegen. Er hätte sich auf seinen Lor­beeren inklu­sive Rit­ter­schlag aus­ruhen können, doch das alles kam für Sir Alex nicht in Frage. Nicht, solange es Her­aus­for­derer gab, die Anspruch auf seinen Thron erhoben.

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